13. – 15. Juni 2019 im Kesselhaus der Muthesius Kunsthochschule
Prof. Dr. Norbert M. Schmitz
In der Genesis wird beschrieben wie Adam auf Geheiß Gottes den Tieren ihren Namen gibt. Aus heutiger Perspektive scheint hier ein grausamer Herrschaftsanspruch des Menschen über seine Mitgeschöpfe sein mythologisches Fundament zu finden. Eine sich kritisch verstehende Wissenschaft versucht dagegen solche Verhältnisse aufzubrechen und anstelle klassisch hierarchischer Verhältnisse so etwas wie eine Gleichberechtigung, wenigstens ein einfühlsames Miteinander in einem › Parlament der Dinge ‹ zu etablieren.
Es bleibt jedoch das epistemische Paradox, dass jede Rede und jedes Bild des Tieres immer ein menschliches Bild vom Tier ist und wir dieser asymmetrischen Perspektive nicht entfliehen können. Sollte also die derzeitige Konjunktur posthumanistischer Theorie nichts anderes sein als eine weitere romantische Flucht aus den moralischen Paradoxien eines Lebens in einer entzauberten Natur? Zu offensichtlich werden hier dieselben utopischen Phantasien beschworen, wie wir sie von den Anfängen des autonomen Tierbildes in den Paradiesbildern bei Roelant Savery oder Jan Breughel kennen. Doch fehlt uns eine solche Naturmythologie und Darwin versperrt uns, gleich einem Erzengel, den Weg zurück in dieses Paradies.
Die Feststellung, dass jedes Bild des Tieres, der Natur, der Wildnis etc. eine kulturelle Konstruktion ist, stellt heute einen Gemeinplatz dar. Die Frage wäre allerdings, ob wir die nötige Arbeit der Dekonstruktion derselben, welche die Forschung am klassischen Tierbild als Ausweis menschlicher Hegemonie- und Superioritätsansprüche vorgenommen hat, nicht auch an den neoromantischen Gegenbilden eines natürlichen Gleichgewichts, von Tierparadiesen in Afrika oder am Amazonas oder der Tier-Mensch-Gemeinschaft in den posthumanistischen Utopien vornehmen müssten?
Wenn also ein authentischer ursprünglicher Zugang zur Natur nicht möglich ist, da wir unsere menschliche Perspektive nicht überschreiten können, benötigen wir also eine kulturelle Begründung der Natur als eines auf den Menschen bezogenen Wertes jenseits bloß funktonaler Kriterien der Ökologie und Ökonomie.
Sich dieser perspektivischen Einschränkung bewusst zu sein, könnte doch zu einem respektvollen Umgang mit anderen Lebewesen als etwas von uns ganz grundsätzlich Unterschiedenen führen.
In diesem Spanungsfeld steht jedenfalls jedes Tierbild zwischen Renaissancegemälde und zeitgenössischer Filmdokumentation.
Dabei fragt das Symposion gleichermaßen nach dem wissenschaftlichen Tierbild als Form der Wissenschaftsillustration und heute des Wissensdesigns einerseits, und nach dem Interesse der Kunst und insbesondere der zeitgenössischen Kunst am Tier andererseits. Und weshalb geriet die wissenschaftliche Repräsentation des Tieres, nachdem sie in der Renaissance etwa im Werk Dürers im Fokus künstlerischer Aufmerksamkeit stand, spätestens seit dem 18. Jahrhundert außerhalb des ästhetischen Interesses? Ausnahmen wie das bezaubernde Werk von Maria Sibylla Merian bestätigen dies eher und die Bilder des Tieres in Romantik und klassischer Avantgarde positionierten sich eher als Gegensatz zur entzauberten Empirie zoologischer Bildproduktion.
Kann eine solch einfache Opposition heute noch Bestand haben oder wo läge das Potenzial des Tierbildes in der Kunst als Form der Annäherung an das Tier jenseits eines naiven Anthropomorphismus?
Jedenfalls sind wir, wie Adam, gefordert den Tieren immer wieder neue Namen zu geben, denn aus der Perspektive des Menschen ist das Schicksal der Natur als jener schöne blaue Planet ganz in unsere Hände gelegt. Natürlich wird der Homo sapiens die Erde nicht wirklich zerstören können, aber sicherlich seine eigenen Lebensgrundlagen in eben dieser Natur und gewissermaßen en passant, die einer ganzen Reihe von Mitgeschöpfen. Tierbilder sind insofern heute immer auch politische Bilder.
Das Symposion fragt nach den ästhetischen Konzepten der Darstellung des Tieres in Geschichte und Gegenwart im Spannungsfeld von Kunst und Wissenschaft, zwischen traditionellen Bildformen und modernen Medien. Inwiefern kann das epistemische Paradox einer Beschreibung des Tieres aus einer notwendig immer menschlichen Perspektive, ästhetisch aufgehoben oder wenigstens thematisiert werden?