Symposion „Angst und Freiheit“ 28. – 30.6.2018

Interdisziplinäres Symposion des Forums/IKDM der Muthesius Kunsthochschule, Kiel, konzipiert von Christine Blättler (CAU) und Petra Maria Meyer (Muthesius Kunsthochschule)

Künste und Philosophie unterhalten beide eine besondere Beziehung zur Angst wie zur Freiheit. Seit der griechischen Antike wird Furcht ins Schreckensbild gesetzt zum Scheucher und Verscheucher, und die antike Tragödie sucht nach Aristoteles den Schrecken auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Die Philosophie hat ihr Selbstverständnis immer wieder darüber gewonnen, Menschen ihre Angst zu nehmen, sei dies vor Göttern, die sie von ihrem Thron stürzt, vor politischen Machthabern, denen sich das Denken widersetzt, oder der großen Unsicherheit, die eine vernünftige Ordnung zu bewältigen sucht. Es gibt Versuche, eine objektlose und diffuse Angst von einer objektbezogenen und konkreten Furcht zu unterscheiden; diese Unterscheidung problematisiert jedoch nicht erst die Massenpsychologie, wenn sie beobachtet, wie sich Angst in Furcht transformieren lässt, indem ein Feindbild generiert wird. Derart werden politisch Ängste wie aktuell vor Überfremdung geschürt und zugleich kanalisiert.

Symptomatologische Sondierungen versprechen einen Erkenntnisgewinn: Ängste lassen sich daraufhin befragen, welche realen Gefahren sie signalisieren, welche Angstbilder sie inszenieren, und welche Probleme sie darüber verhandeln. Über eine Individualpathologie hinaus nimmt diese Herangehensweise kollektive Ängste in den Blick, wie sie angesichts diverser Macht- und Herrschaftsformen auftreten, und erweist so ihr zeitdiagnostisches Potential. Sie vermag es aber auch, einen überraschenden Nexus zu erschließen, wenn sie über das Verhältnis von Angst und Freiheit nachdenkt.

Obgleich sich zunächst die Vermutung aufdrängt, dass Angst als risikovermeidender Impuls Freiheit einschränkt, ist das Verhältnis komplexer. So sind es philosophische Einsätze wie von Søren Kierkegaard oder Hans Blumenberg, die in der Unbestimmtheit der Angst eine Möglichkeit der Freiheit ausmachen. Angst wird entsprechend nicht einfach negativ gezeichnet, vielmehr auch positiv als eine Bedingung gefasst, um Welt gestalten zu können. Dabei ist es nicht leicht zu bestimmen, wo eine Befreiung von Zwängen endet und Freiheit im positiven Sinne freier Lebens- und Wirklichkeitsgestaltung beginnt. Diese Freiheit ist von historisch sich wandelnden Bedingungen ebenso wenig zu trennen wie die Einschätzung der Willensfreiheit, die mal als menschliche Grundausstattung, mal als Illusion eines „Neuronenbündels“ angesehen wird.

Über Angst und Freiheit stellt sich hier erneut die Frage nach dem Subjekt. Das Nachdenken darüber orientiert sich gerade nicht einseitig an einem Verständnis von Subjekt, das sich und die Welt vernünftig, selbstbestimmt und aktiv beherrscht. Vielmehr ist die Erfahrung vieler Menschen zu berücksichtigen, angesichts historischer, ökonomischer und technologischer Eigendynamiken keineswegs im Zentrum des Geschehens zu stehen. Menschen sind hier mit einer nicht machbaren Realität konfrontiert, die ängstigt. Über den Weg der Angst lassen sich vom Subjekt Unkontrollierbares und Unverstandenes, ihm Unbewusstes avisieren und Spannungen in seinem Selbstverständnis bedenken. Diese Herangehensweise verabschiedet keineswegs die Rede von einem Subjekt, sondern geht der Frage nach, wie sich eine Neukonzeption des Subjekts im Wechselspiel von Angst und Freiheit formulieren ließe.

In unserem Zusammenhang stellen sich insbesondere die folgenden Fragen: Welche künstlerischen Strategien der Umgangsweise mit Angst werden in den Künsten verfolgt? Fungieren Sie als Anästhetikum, oder lässt sich im künstlerischen Umgang mit einer „Politik der Angst“ eine Gegenkraft zur machtstrategischen Instrumentalisierung finden? Für diese Fragen versprechen die Künste besonders aufschlussreich zu sein, da sie ihre eigenen Formen der Wahrnehmung sowie eine besondere Befähigung zur Wahrnehmungsbewusstwerdung aufweisen.

Die interdisziplinäre Zusammenkunft geht der Frage nach, in welcher Weise Angst heute Lebenswelt, Politik und Theorie formiert und inwiefern sie ein Potential der Freiheit aufweist, das Spielräume für kulturelle Formen und damit auch für künstlerisches Gestalten und Handeln eröffnet.

Prof. em. Dr. Emil Angehrn, Prof. em. Dr. Hartmut Böhme, Zora del Buono, Gernot Grünewald, Prof. em. Dr. Rudolf Heinz, PD Dr. Christiane Tewinkel, Prof. Gustav Kluge, Prof. Dr. Christiane Kruse, Prof. Dr. Marion Picker, Heidi Sill, Armin Smailovic, Dr. Klaus Theweleit, Prof. Dr. Anna Tuschling, Prof.Dr. Christiane Voss, Dr. Arne Zerbst.

Kesselhaus

 

07.09.2018

Forum

Das Forum für interdisziplinäre Studien an der Muthesius Kunsthochschule wurde 1996 als selbstständige Einrichtung gegründet. Es veranstaltet Symposien, konzipiert und publiziert von den Professorinnen und Professoren des IKDM und Workshopwochen sowie aus den Studiengängen der Kunsthochschule. Sein Programmangebot von Workshops und Symposien gibt regelmäßig Gelegenheit, einzelne Themen aufzugreifen und zu vertiefen. Dabei wird der jeweils aktuelle Forschungsstand unterschiedlicher Fachrichtungen berücksichtigt. Ziel ist es, eine Diskussion über die Fachgrenzen hinaus anzuregen und sie zu Formen ästhetischer Praxis in Beziehung zu setzen. Die Veranstaltungen verstehen sich als Forum für die Lehrenden und Studierenden der Muthesius Kunsthochschule, wenden sich aber darüber hinaus an eine interessierte Öffentlichkeit. Publikationen zu den Veranstaltungen sichern den Anspruch ab, aktiv in die Diskurse um Kunst und Wissenschaft einzugreifen.

Konzeption interdisziplinäre Workshopwoche

Prof. Dr. Almut Linde, Prof. Markus Huber, Prof. Dr. Bettina Möllring, Prof. Dr. Sandra Schramke

Konzeption interdisziplinäre Symposien

Prof. Dr. Christiane Kruse, Prof. Dr. Petra Maria Meyer, Prof. Dr. Norbert M. Schmitz

 

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